Sobald Erasmus Mayr in die Praxis eintaucht, wird es abenteuerlich. „Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel“, ruft er und schweigt einige Sekunden lang, um sich etwas auszudenken. Gerade sind seine kleinen Kinder erkältet, also baut er die Krankheit mit ein in seine Geschichte: „Nehmen wir an, Sie transportieren jemanden auf der offenen Ladefläche Ihres Lastwagens, was ja a priori verboten ist. Weil’s Herbst ist, erkältet er sich. Sind Sie jetzt für diese Erkältung verantwortlich?“
Erasmus Mayr schaut sein Gegenüber nach solchen Fragen herausfordernd an. Schnell wird ein Gespräch mit ihm zu einer Einführung in die Philosophie, in die Gedankenwelten, in denen er sich üblicherweise bewegt. An der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg lehrt Mayr, und wenn er seine Beispiele ausbreitet, dann merkt man schnell, dass der 42-Jährige nicht nur Philosoph ist, sondern auch Jurist. „Bemerkenswert ist“, sagt er, „dass die Rechtswissenschaft auf diese Fragen oft eine andere Antwort gibt als die Philosophie.“ Dass es ihm gelingt, beide Denkschulen zu verbinden und die Ansätze kunstvoll miteinander zu verzwirbeln, macht ihn zu einer Ausnahmeerscheinung unter den zeitgenössischen Philosophen.