Herr Prof. Dustmann, Sie haben gerade einen Preis für Politikberatung bekommen. Wann hat die Politik zuletzt auf Ihre Expertise als Ökonom gehört?
Die Politik hört selten direkt auf die Expertise von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. In der Ökonomie zum Beispiel gibt es viele Forscherinnen und Forscher, die sich mit bestimmten Themengebieten auseinandersetzen, und die kommen natürlich nicht immer zu den gleichen Forschungsergebnissen. Die Politik bedient sich dann häufig dieser unterschiedlichen Ergebnisse so, wie es opportun ist. Auch muss die Politik oft den Spagat bewältigen zwischen dem, was aus wissenschaftlicher Sicht vielleicht angeraten ist, und dem, was die Menschen und verschiedene Interessenvereinigungen wollen.
Hat die Corona-Pandemie nicht dazu geführt, dass die Stimme der Wissenschaft in der Politik mehr Gehör findet?
Es kommt darauf an. Die Erkenntnisse der Wissenschaft sind jetzt natürlich sehr wichtig für die Eindämmung der Pandemie. Und da haben wir erfreuliche Ergebnisse gesehen. In Großbritannien haben Vorhersagemodelle des Epidemiologen Neil Ferguson vom Imperial College London im März letzten Jahres dazu geführt, dass die britische Regierung von der ursprünglichen Strategie der Herdenimmunität abgerückt ist.
Im globalen Vergleich haben Länder wie Taiwan, Australien, Neuseeland, China und Südkorea in der Pandemie eine ganz klar wissenschaftlich determinierte Richtung eingeschlagen. Die ökonomischen Folgen werden für diese Länder sehr wahrscheinlich nur ein Bruchteil von dem sein, was die Pandemie Großbritannien, Deutschland, Italien und auch die USA kosten wird. Hier war man eben nicht bereit, diesen Weg so konsequent zu begehen.