Nominiert für den Deutschen Zukunftspreis 2024
Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende ist, dass die elektrische Energie auf Basis erneuerbarer Energien wie Sonne oder Wind erzeugt wird und möglichst effizient geregelt und gesteuert werden kann. Dazu werden leistungsstarke und zuverlässige Schalteinheiten benötigt, sogenannte Stromrichter, die aus vielen elektronischen Bauteilen bestehen. Das Herzstück eines Stromrichters bildet ein Modul mit Chips aus einem Halbleitermaterial – der sogenannte Leistungshalbleiter, der den Strom schaltet.
Leistungshalbleiter werden üblicherweise aus Silizium gefertigt. Doch dieses Material hat seine Grenzen. Diese zu überwinden, hat sich das nominierte Team zur Aufgabe gemacht und ein völlig neues Halbleitermodul auf Siliziumkarbid-Basis entwickelt.
Die Steuerung von elektrischer Energie bedeutet nicht nur das einfache Ein- und Ausschalten, so wie wir einen Lichtschalter bedienen. Es geht vielmehr darum, dass die Stromstärke, die Spannung oder auch die Frequenz zielgerichtet variiert werden muss. Fahrzeuge zum Beispiel, ob auf der Straße oder der Schiene, müssen ihre Geschwindigkeit regulieren können, müssen beschleunigen und abbremsen können. Ein simples Ein- und Ausschalten des Energieflusses reicht nicht, hier wird eine Regelung benötigt. Hierzu dienen die Leistungshalbleiter in den Stromrichtern, doch dazu müssen sie sehr häufig pro Zeiteinheit schalten, teilweise viele Tausend Mal in der Sekunde. Doch bei jedem dieser Schaltvorgänge kommt es zu Verlusten von elektrischer Energie, die dann als Wärme das Modul aufheizen. Die Folgen sind: Energie geht verloren und es wird eine aufwändige Kühlung benötigt, damit das Modul nicht zerstört wird.
Das Team konnte mit einem neuen Material für den Leistungshalbleiter Abhilfe schaffen: Siliziumkarbid statt Silizium. Elektrisch bietet dieses Material sehr viele Vorteile gegenüber reinem Silizium. So kann ein Modul aus diesem Material bei gleicher Baugröße deutlich höhere Stromflüsse verarbeiten. Außerdem sind die Verluste, die bei jedem Schaltvorgang auftreten, wesentlich kleiner. Bei der Entwicklung zeigte sich, dass die Schaltverluste um 90% gesenkt werden konnten. Die Kühlung des Moduls wird dadurch leichter und billiger. Oft reicht schon eine einfache Luftkühlung statt einer aufwändigen Wasserkühlung.
Allerdings hat das neue Material auch einen Haken. Siliziumkarbid ist sehr hart und spröde, es lässt sich schwer bearbeiten, was hohe Fertigungskosten nach sich zieht. Hinzukommt die Eigenschaft, dass Siliziumkarbid eine große thermische Leifähigkeit und einen hohen Wärmeausdehnungskoeffizienten hat. Das bedeutet, das Material dehnt sich bei Aufwärmung stark aus. Aus dieser physikalischen Tatsache resultiert eine enorme Herausforderung: Im Modul muss der Strom zunächst zum Halbleiter hingeführt und auch wieder abgeführt werden. In der Leistungselektronik auf Siliziumbasis werden hierzu meist dünne Aluminiumdrähte verwendet, ein gut leitendes Metall, das sich leicht mit dem Halbleiter verbinden lässt. Bewegt sich nun der Halbleiter durch die Wärmeausdehnung, so muss das Kontaktmetall diese Bewegung elastisch kompensieren. Das kann Aluminium bei Siliziumkarbid aufgrund der ungünstigen Materialparameter und der hohen Energiedichte aber nicht über die geforderte Lebenszeit von 35 Jahren leisten.
Der Draht löst sich vom Chip und es kommt zum Ausfall des Systems. Es musste ein anderes, gut leitendes Metall zur Anwendung kommen, welches diese Plastizität aufweist. Kupfer erfüllt diese mechanischen Bedingungen. Mit diesem Kontaktmetall konnte das Problem nicht nur gelöst werden - die Zuverlässigkeit übersteigt den Stand der Technik um das Zehnfache. Jedoch entstand dadurch eine neue Herausforderung. Bei direktem Kontakt von Kupfer und Siliziumkarbid diffundieren Kupferatome in das Halbleitermaterial und zerstören dieses. Damit genau das nicht geschieht, musste für das Chipdesign und das Bonding, also für die Verbindung von Metall und Halbleiter, ein völlig neues Konzept gefunden werden.
Ein weiteres großes Problem sind die hohen Kosten des Siliziumkarbids. Auch hier hat das Team zahlreiche Innovationen beim Chipdesign und der Prozessierung hervorgebracht, sodass im Modul nur noch ein Bruchteil der bisher üblichen Chipfläche verbaut wird.
Der Startschuss für das Innovationsprojekt fiel 2017. Ein Jahr später ging es dann in die Vorentwicklung. Dabei wurde parallel an der Entwicklung eines Siliziumkarbid-Chips für hohe Ströme und Spannungen sowie an der Problemstellung des Kupfer-Siliziumkarbid-Bondings gearbeitet. 2019 zeichnete sich ab, dass das Projekt zum Erfolg werden könnte, doch auch zu dieser Zeit waren noch viele Details, vor allem hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Moduls, zu beachten und zu bearbeiten. Nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit, in enger Kooperation von Infineon und der TU Chemnitz, konnte das Modul dann 2023 erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Die neuen Stromrichter auf Basis der Siliziumkarbid-Leistungshalbleitermodule waren von Beginn an eine Erfolgsgeschichte. Sie sind kleiner, leichter, zuverlässiger, leistungsstärker und effizienter als ihre Vorgänger aus Silizium.
Mit ihnen ergeben sich erhebliche Verbesserungen hinsichtlich der Energieeffizienz entlang der Stromkette von der Erzeugung und der Übertragung bis hin zum Verbrauch. Eine E-Lok kann durch den Einsatz des Siliziumkarbid-Moduls rund 300 Megawattstunden im Jahr einsparen. Das entspricht ungefähr dem Jahresenergiebedarf von 100 Einfamilienhäusern. Die hohe Energiedichte ermöglicht aber auch neue Anwendungsfelder, zum Beispiel bei der Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs, der Schifffahrt und sogar des Flugverkehrs sowie beim Energiemanagement von großen Batteriespeichern oder bei der Produktion von grünem Wasserstoff, kann das neue Modul seinen Beitrag leisten.
Ein weiteres Anwendungsgebiet sind die Stromnetze und deren Resilienz gegenüber Ausfällen. Der immer stärkere Ausbau von kleinen, dezentralen Wind- und Solaranlagen verlangt nach Stromnetzen, in die die Energie eingespeist werden kann. Diese stehen aber nicht an jedem Ort zur Verfügung und die vorhandenen Hochspannungsnetze lassen sich auch nicht ohne weiteres und wenn auch nur mit großem Aufwand erweitern. Die Antwort darauf sind kleine Mittelspannungsnetze, die sich leichter aufbauen lassen. Diese leistungsstarken Gleichstromnetze können dann die Energie mithilfe der neuen Stromrichter sinnvoll und ohne große Verluste verteilen.
Neben dem technologischen Nutzen für eine große Bandbreite an Anwendungen stellt die Innovation "Power für die Energiewende – Große Antriebe elektrifizieren mit revolutionären Energiesparchips" einen wichtigen Baustein für eine erfolgreiche Energiewende dar. Der Bedarf weltweit an den bei Infineon hergestellten, siliziumkarbidbasierten Leistungshalbleitermodulen ist daher immens, wovon auch die Gesellschaft durch die Schaffung zahlreicher Arbeitsplätze profitiert. Diese entstehen nicht nur bei Infineon, sondern auch bei vielen anderen Firmen in nachgelagerten Wertschöpfungsketten. Das neue Modul stärkt somit insgesamt den Technologiestandort Deutschland.
Das Projekt wurde vom Deutschen Patent und Markenamt vorgeschlagen.