Bettina Gerhardt
ist Assistentin in der Wissenschaftsstatistik des Stifterverbandes.
T 0201 8401-400
Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft
Deutschland hat 2017 das 3-Prozent-Ziel erreicht. 68,8 Milliarden Euro haben die Unternehmen in Deutschland im Jahr 2017 in Forschung und Entwicklung (FuE) investiert – 9,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Zusammen mit den staatlichen Investitionen sind dies 3,07 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Studien zur Innovationsfähigkeit zeigen, dass das Land im Bereich Innovation gut aufgestellt ist.
Das Weltwirtschaftsforum zum Beispiel kürte Deutschland in seiner Studie zur Wettbewerbsfähigkeit der Länder 2018 gar zum innovationsfähigsten Land der Welt. Der Innovationsindikator des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und des Fraunhofer ISI für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) platziert Deutschland 2018 auf dem vierten Platz hinter Singapur, der Schweiz und Belgien. Kein Grund zur Sorge also?
Die Dynamik mag täuschen. Fast scheint es, als würden durch die massiven Investitionen in FuE bestehende Strukturen gestärkt und damit weiter verfestigt: Die Analysen belegen, dass die Kfz-Industrie erneut den größten Anteil am Zuwachs der FuE-Aufwendungen trägt. Mehr als die Hälfte aller seitens der deutschen Wirtschaft in FuE investierten Mittel fließen inzwischen in Projekte, die der Entwicklung von Fahrzeug- und Verkehrstechnologien dienen. Erneut tragen die Neueinstellungen beim FuE-Personal nicht zu einer Diversitätssteigerung bei. FuE in spitzentechnologischen Branchen verliert ebenso an Bedeutung wie FuE-Kooperationen mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen.
Deutschlands Innovationssystem ist hoch entwickelt – ein Riese innerhalb Europas und weltweit. Doch dies geht zulasten von Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit. Der Fokus auf das bloße Volumen der FuE-Aufwendungen verstellt den Blick auf die so drängende Frage nach der Effizienz und Effektivität des Innovationssystems. Damit verbunden ist die Notwendigkeit, schnell zu agieren, Zukunftstechnologien aktiv voranzutreiben und in einzelnen Bereichen zu einem globalen Entwicklungszentrum aufzusteigen. Zudem gilt es zu verstehen, dass nicht mehr technische Neuerungen allein zu Markterfolgen beitragen. Vielmehr sind es oftmals neue Geschäftsmodelle, die etablierte Branchen oder Unternehmen unter Druck setzten.
Der im Oktober 2019 erschienene Analysebericht soll einen Beitrag zur Diskussion der Leistungs- und Veränderungsfähigkeit des deutschen Innovationssystems leisten.
Aus dem Inhalt:
Verena Eckl, Andreas Kladroba, Gero Stenke:
ˌɑ:r ən ˈdi: Analysen 2019
Herausgegeben von der Wissenschaftsstatistik GmbH im Stifterverband
Essen 2019
52 Seiten
ISSN 0720-2776
Die Wirtschaft in Deutschland hat im Jahr 2017 68,8 Milliarden Euro für interne Forschung und Entwicklung ausgegeben. Die internen FuE-Aufwendungen sind damit gegenüber dem Vorjahr um 9,5 Prozent gestiegen, eine der höchsten Steigerungsraten seit der Wiedervereinigung. In nicht einmal 20 Jahren (seit 1999) haben sich damit die internen FuE-Aufwendungen der Unternehmen nominal mehr als verdoppelt (1999: 33,6 Milliarden Euro).
Prägend für die Entwicklung waren die großen, forschungsstarken Branchen: Kfz-Bau, Chemie, Pharmazie, Maschinenbau und Elektrotechnik im verarbeitenden Gewerbe. Aber auch die wissenschaftlich-technischen Dienstleister sowie die Informations- und Kommunikationstechnologie gehören seit vielen Jahren zu den FuE-Treibern in Deutschland. Die vordergründig enorme Steigerung der FuE-Ausgaben des Maschinenbaus um ein Viertel auf 7,1 Milliarden Euro ist überwiegend statistischer Natur. Große Konzernbereiche zweier namhafter Hersteller, die bisher zu einem anderen Wirtschaftszweig gehörten, wurden dem Maschinenbau zugeordnet, ohne die die sonstige Steigerung der Branche lediglich 3,1 Prozent betragen würde. Der inhaltliche Schwerpunkt – auch hier dominiert die Digitalisierung – liegt auf dem Zusammenspiel von Produktionstechnologien und IT. Der Kfz-Bau legte auf hohem Niveau um mehr als 17 Prozent zu. In einer ähnlichen Größenordnung lagen auch die Hersteller von Geräten zur Datenverarbeitung (DV-Geräte) sowie elektronischen und optischen Erzeugnissen. Aber auch die Anbieter wissenschaftlicher und technischer Dienstleistungen konnten ein Plus von 11 Prozent verzeichnen.
Rückgänge gab es kaum. In den Branchen Gummi und Kunststoff sowie Glas, Keramik und Steine können sie als moderat bezeichnet werden. Einzig die Hersteller "sonstiger Fahrzeuge" (dies umfasst auch Luft- und Raumfahrzeuge) blicken auf ein sattes Minus von 12 Prozent. Das FuE-Personal hat zwischen 2016 und 2017 ebenfalls deutlich zugenommen und liegt aktuell bei 436.571 Vollzeitäquivalenten.
Endlich geschafft: Die 3 Prozent sind erreicht. Gemeint ist damit, dass sich die EU und damit auch Deutschland bereits im Jahr 2000 verpflichtet haben, die FuE-Quote, also die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung als Anteil des Bruttoinlandsproduktes (BIP), auf 3 Prozent anzuheben. Mit internen FuE-Aufwendungen aus Wirtschaft (68.767 Millionen Euro), Staat und Hochschulen (zusammen 30.766 Millionen Euro) und einem BIP von 3.245 Milliarden Euro errechnet sich eine BIP-Relation von 3,07 Prozent. Die Schallmauer wurde damit endgültig durchbrochen. Zeit für einen Rückblick. Welche Aspekte sind hervorzuheben und was kann man für die Zukunft – wir haben ja schließlich noch ein 3,5-Prozent-Ziel bis 2025 – lernen?
Die Politik hielt trotz einiger Rückschläge am 3-Prozent-Ziel fest. Es war letztlich auch diese Beharrlichkeit, die zur Zielerreichung beigetragen hat. Das 3-Prozent-Ziel ist also erreicht, und das 3,5-Prozent-Ziel ist bis zum vorgesehenen Termin 2025 erreichbar. Dazu müssten, je nach wirtschaftlicher Entwicklung, die internen FuE-Aufwendungen aller Sektoren bis 2025 auf circa 140 bis 150 Milliarden Euro steigen. Dabei haben es die Unternehmen leichter. Die durchschnittlichen Steigerungsraten der vergangenen Jahre reichen aus, um den Wirtschaftsanteil im Jahr 2025 zu erreichen. Für den Staat bedeutet das allerdings zusätzliche Anstrengungen.
Neben der eigenen nationalen Entwicklung ist auch immer die Frage, wo ein Land im internationalen Vergleich steht, von großer Bedeutung. Kann also eine Art Ranking bezüglich der Forschungsanstrengungen der Länder erstellt werden? Hierzu muss sichergestellt werden, dass die gemessenen Daten auch wirklich vergleichbar sind. Dies kann weitgehend dadurch garantiert werden, dass alle Länder, die für Vergleiche herangezogen werden, Mitglied der EU und/oder der OECD und somit dem Frascati-Handbuch verpflichtet sind. Damit folgen alle Länder den gleichen Regeln, was eine Statistik – von wenigen nationalen Besonderheiten abgesehen – vergleichbar macht. Als Zweites muss ein Indikator gefunden werden, der zum Vergleich herangezogen wird. Wie wir im Folgenden an einigen von der EU und der OECD veröffentlichten Indikatoren beispielhaft sehen werden, besteht immer die Gefahr, dass das Ranking massiv von der Wahl des Indikators abhängt. Praktisch hat das die Konsequenz, dass es gar nicht so leicht ist, gute Vorbilder und gute Praktiken zu identifizieren.
In einem internationalen Vergleich stellen sich für ein Land prinzipiell zwei Fragen:
1. Wo steht es in einer internationalen Rangliste mit seinen Absolutwerten?
2. Wie ist seine Entwicklung, also wo steht es hinsichtlich seiner Veränderungsraten?
Dass die USA weitaus mehr Geld für FuE ausgeben als alle anderen Länder, überrascht nicht weiter. Selbst die EU 28 als Ganzes kann hier nicht mithalten. Auf Platz 2 folgt China (ohne Hongkong) bereits mit großem Abstand. Deutschland liegt in dieser Rangliste auf Platz 4 und damit als einziges europäisches Land unter den Top 5. Dass man aber von (um es einmal ganz extrem darzustellen) Malta kaum verlangen kann, dieselben FuE-Aufwendungen zu haben wie die USA, ist klar. Aus diesem Grunde hat man sich international darauf geeinigt, lieber die internen FuE-Aufwendungen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP-Relation) als Maßstab zu nehmen. Das heißt, man berücksichtigt die Wirtschaftskraft des Landes. Von wirtschaftlich starken Ländern werden höhere Aufwendungen als von schwächeren erwartet. Dabei ist allerdings nicht von Bedeutung, woher die wirtschaftliche Stärke kommt. Ein hoher technischer Standard fließt hier genauso ein wie schlicht die Größe des Landes. Mit großem Abstand führend sind Israel und Südkorea. Die USA belegen nur Rang 9 und liegen damit sogar noch hinter Deutschland. Man sieht, dass auch kleinere Länder wie die Schweiz, Österreich oder Belgien hier zu den weltweit Besten gehören. Nimmt man nur die Größe des Landes als Vergleichskriterium, bietet es sich an, die internen FuE-Aufwendungen der Wirtschaft pro Einwohner zu betrachten.
Schaut man sich die Länder mit den höchsten FuE-Aufwendungen nach Einwohnerzahl an, ist plötzlich die Schweiz das forschungsstärkste Land der Welt. Mit 1.780 Euro pro Einwohner werden von der schweizerischen Wirtschaft mehr als 70 Prozent pro Einwohner mehr ausgegeben als bei den weiteren Platzierten USA, Schweden und Dänemark und mehr als das Doppelte dessen, was Deutschland ausgibt.
Zu berücksichtigen sind darüber hinaus auch die unterschiedlichen Preisniveaus in den einzelnen Ländern. Daher werden sowohl von der EU (in Euro) als auch von der OECD (in US-Dollar) die FuE-Aufwendungen in sogenannten Kaufkraftparitäten (KKP) angegeben. Das heißt, es wird so getan, als ob man in jedem Land für zum Beispiel einen Euro das Gleiche kaufen könnte. Die Reihenfolge auf den Top-Platzierungen ändert sich zwar nicht, aber die Länder rücken deutlich näher zusammen.
Die Wissenschaftsstatistik im Stifterverband erhebt als einzige Institution in Deutschland regelmäßig Daten über FuE von Unternehmen und Institutionen wirtschaftsnaher Gemeinschaftsforschung nach einheitlichen internationalen OECD-Vorgaben. Damit stellt sie Daten bereit, die für Unternehmen, Verbände der Wirtschaft, für Politik und Wissenschaft wichtige Entscheidungs- und Planungsgrundlage sind. Die FuE-Statistik ist seit vielen Jahren Bestandteil der FuE-Berichterstattung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für Deutschland. Sie ist zugleich Teil der offiziellen FuE-Meldungen Deutschlands an internationale Organisationen (OECD, EU) und damit auch Basis für den internationalen Vergleich der FuE-Tätigkeit der deutschen Wirtschaft.
Der Analysenband kann auch als gedrucktes Exemplar kostenfrei bezogen werden.
Anfragen bitte an:
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Die Statistik zu Forschung und Entwicklung im Wirtschaftssektor erfolgt im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft.